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Mercury History

“Als ich hier angekommen bin, hatte ich nur einen Rucksack voller Träume”, sagt mein Großvater gern. Er weiß, wovon er spricht. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg kam er nach Aschaffenburg – mit dem Traum, Schneider zu werden. Es beeindruckt mich noch immer, dass der Mann, den ich in meiner Jugend vor allem im Zweireiher erlebt habe, als kerniger Fabrikarbeiter der 1960er-Jahre auf 10 cm genau feststellen konnte, wie viel Stoff noch auf einem Ballen war, wenn er ihn hoch hob. Natürlich kam, was kommen musste: das Leben. Den Traum vom Schneider konnte er sich nicht erfüllen.
Umso stolzer war er, als seine Tochter – meine Mutter – durch Zufall im Modebereich kreativ Fuß fasste und eine der ersten Designerinnen für Knöpfe und Accessoires wurde.
Deswegen muss ich oft schmunzeln, wenn ich gefragt werde, wie es kommt, dass ich nun auch im Modebereich unterwegs bin. Doch das war absehbar: Während andere Kinder ihre Grundschulkollagen mit Bildern aus der Fernsehzeitschrift versahen, zerschnitt ich zum Leidwesen meiner Mutter Modezeitschriften, Trendanalysen und Fotos von Laufstegmodels, die ich in ihren Schubladen gefunden habe.
Als Menswear-Enthusiast fasziniert mich Herrenbekleidung von verschiedenen Blickwinkeln aus: Handwerkstradition, Formen, Funktionalität und Design, Geschichte, Hintergründe. Ich wollte mich damit auseinandersetzen, wie Klassiker entstehen, welche Attribute sie haben. Mein Ziel wurde es, eine klassische Garderobe mit modernem Markenbewusstsein zu kreieren, verstaubte Wahrnehmungen aufzubrechen und das Gefühl hochwertiger Materialien im klassischen Design nicht nur am Fuß spürbar zu machen.
Mir wurde klar: Klassiker sind zeitlos, weil sie in ihrem Ursprung einen Sinn haben, eine Funktion. Deshalb ist es umso spannender, diese Eigenschaften in die Gegenwart zu transportieren und Denkmuster aufzubrechen, ohne dabei Traditionen zu vergessen.
– Pablo Bachmann